Change Management – das Sorgenkind Logistik

„To be or not to be – oder die letzte Chance zweier Produktionsstandorte durch eine Fusion wieder wettbewerbsfähig zu werden. Ein spannender Tatsachenbericht über Organisationsentwicklung, Change Management, Kommunikation und Führung und was das alles mit Glück zu tun hat.“

 

Teil 6:
„Das Sorgenkind Logistik ……“

Im letzten Blog ging es darum, die verschiedenen Unternehmensbereiche neu zu organisieren und wir hatten mit der Logistik ein echtes Sorgenkind. Zur Erinnerung, der Bereich Logistik hatte …

  • … in Relation zu anderen Unternehmen eindeutig zu viele Personen.
  • … ein großes, zum Teil unüberschaubares Feld an Aufgaben.
  • … eine unklare Aufgabenverteilung zwischen Logistik und Fertigung, wer nun für den Transport zwischen den Fertigungszellen zuständig sei.
  • … zu guter Letzt, einen zu operativen Bereichsleiter, der sich schwer tat, etwas Abzugeben, zu Delegieren und über den Tellerrand seines Bereiches hinauszuschauen.

Wir mussten also auf Basis von Plan- und Benchmarkzahlen von einer Reduktion der Logistik-Mannschaft um 30% ausgehen und hatten es mit einem Bereichsleiter zu tun, der um seine Mannschaft kämpfte. In unserer Wahrnehmung spielte bei ihm viel Unsicherheit mit und wir stuften seine Motivation ein als eine Mischung von

  1. seiner Annahme, dass die Größe seines Bereiches direkt mit seinem Ansehen im Unternehmen zusammenhängt;
  2. seiner weniger stark ausgeprägte Fähigkeit, von der grünen Wiese weg zu denken und
  3. seinem Beharrungsvermögen im Sinne „das haben wir schon immer so gemacht“.

 

Das Gesicht wahren lassen

Wichtig war an dieser Stelle noch nicht über Namen und Qualifikationen zu sprechen, da noch nicht klar war, wie man das organisieren wird. Das kam erst später.

In einem ersten Schritt wurden mit seinem Managementkollegen Aufgaben diskutiert, die man Outsourcen kann. Also Aufgaben, die günstiger von Spezialisten außerhalb des Unternehmens angeboten werden können. Günstiger zum einen, da beim Outsourcing ein anderer Kollektivvertrag zur Anwendung kam und zum anderen, weil dort echte Spezialisten am Werk waren. Das wichtigste Resultat war zum Beispiel ein neues Outbound-Inbound Lager, welches von einem externen Anbieter betrieben wurde. Über das Outbound-Inbound Lager hatte der Bereichsleitern zwar keine Personalhoheit mehr, aber dafür die Verantwortung, dass es funktionierte. Das war für ihn in Ordnung.

In einem zweiten Schritt wurden Aufgaben weiter zusammengefasst und man bekam mehr Überblick, was Logistik eigentlich tun soll/ muss. Dazu war ein Sidestep notwendig.

 

Die Logistikprozesse in der Fertigung im Detail

In der Diskussion mit den Kollegen spießte es sich immer wieder an der Definition, wer in der „Valuestream / der Fertigung“ nun für die Materiallogistik zuständig sei. Also z.B. nach dem Wareneingang für das Befüllen der Zwischenläger (in der dortigen Diktion auch „Supermärkte“ genannt) oder das Weitertransportieren der Teile von einer Fertigungszelle zur nächsten oder der Transport von der letzten Fertigungszelle zum Versand.

Wir zogen in der Diskussion irgendwann mal die Reißleine und machten einen Sidestep. Wir ersuchten den Werkleiter, die Layoutplanung des neuen Werkes zu holen / an die Wand zu projizieren, um so die Diskussion wieder zu versachlichen. Wir gingen dann im Team jeden einzelnen Prozessschritt der Fertigung von vorne bis hinten durch und diskutierten „sachlogisch“, ob a.) der Fertiger in der Fertigungszelle die Teile an die nächste Fertigungszelle weitergeben soll (sofern nicht automatisierbar) oder eben b.) ein eigener Logistikmitarbeiter diese Aufgabe übernimmt (in der dortigen Diktion auch „Milkrunner“ bezeichnet).

Die Kriterien für diese Entscheidungsdiskussion waren, ob der Fertigungsmitarbeiter in der Zelle

  1. auf Grund der Taktzeiten „seiner“ Fertigungszelle überhaupt zeitlich Kapazitäten hat,
  2. die Entfernung von seiner Fertigungszelle zur nächsten Fertigungszelle es zulässt und
  3. in welche Mengen und Gebinden dieser Transport zu erfolgen hat.

Damit schafften wir endlich in einer zwar emotional geführten, aber doch sachlichen-orientierten Diskussion Klarheit in der Organisation darüber, wer für die Materiallogistik in der Fertigung welche Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen über hat.

 

Effektivität und Effizienz für die restlichen Aufgaben

Nach den ersten beiden Schritte kam der dritte Schritt – wir diskutieren die restlichen Aufgaben aus der Perspektive Effektivität und Effizienz.
Effektivität bedeutete in diesem Fall „die richtigen Dinge tun“. Also Aufgaben beurteilen nach„ Ist diese Aufgabe überhaupt noch notwendig und sinnvoll? Wenn ja, wer könnte sie machen im Sinne von Delegation?“ Das führte zu einer weiteren Reduktion der Aufgaben und freiwerdender personeller Kapazitäten.
Effizienz bedeutete in diesem Fall „die verbleibenden Dinge richtig tun“. Also Aufgaben beurteilen nach „Wie können wir diese Aufgabe anders und besser organisieren? Welche technologischen / elektronischen Möglichkeiten haben wir?“ Das führte zu weiteren freiwerdenden personellen Kapazitäten.

In Summe haben wir mit diesen drei Schritten die bestehende Logistikmannschaft um gut 30% reduzieren können. Und das in einer Art und Weise, bei der sich der Bereichsleiter für Logistik und seine Kollegen sich zu dem Ergebnis ernsthaft committed haben. Der stark operative Führungsstil des Bereichsleiters für Logistik ist heute leider noch immer ein Thema, aber das ist eine andere Geschichte.

 

Im nächsten Blog möchte ich darauf eingehen, dass es die beiden Betriebsratsgremien beider Standorte zu diesem Zeitpunkt noch immer gab und die bei jeder geplanten organisatorischen Änderung ihre unterschiedlichen und zum Teil auch persönlichen Interessen ins Spiel brachten. Militärisch würde man von einem „permanenten Störfeuer“ sprechen, welches die notwendige Geschwindigkeit der Veränderung für den Standort massiv beeinträchtigte. Man muss retrospektiv leider sagen, dass der Betriebsrat die heutige Situation an dem Standort zu einem gewissen Grad mit zu verantworten hat. Mehr dazu aber im nächsten Blog, bleiben Sie dran J.

 

Dipl. Ing. Siegfried Neubauer ist Experte bei NeuKurs. Er arbeitet als systemischer Organisationsberater und wurde vom Institut für Systemische Beratung (ISB) in Wiesloch / Deutschland zertifiziert. Er ist Gründer (2008) der VIST – Vienna International School of Thought, einem international ausgerichteten Managementausbildungsinstitut.

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